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Was ist Harninkontinenz?

HR Univ.Prof.Dr. Helmut Madersbacher


Unfreiwilliger Harnverlust ("Harninkontinenz"), im Volksmund oft als "Blasenschwäche" bezeichnet, ist ein sehr weit verbreitetes Leiden. Schätzungen gehen davon aus, dass jede 4. Frau und jeder 10. Mann im Laufe des Lebens von diesem Problem betroffen sind.

Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, an unfreiwilligem Harnverlust oder Schwierigkeiten bei der Blasenentleerung zu leiden. Und doch spricht kaum jemand offen über Inkontinenz. Viele Betroffene ziehen sich aus Angst, ihr Problem könnte in der Öffentlichkeit, im Freundeskreis oder in der Familie bemerkt werden, zurück und vereinsamen.

Unfreiwilliger Harnabgang kann viele Ursachen haben, viele davon lassen sich beheben. Entzündungen, hormonelle Veränderungen bzw. Hormonmangel oder vergrößerte Prostata, aber auch Medikamente können die Ursache dafür sein bzw. die Beschwerden verstärken. Ebenso kann es nach einer Schwangerschaft durch eine Schwächung der Beckenbodenmuskulatur zu unfreiwilligem Harnverlust kommen.

Die oft gehörte Annahme, dass die "Blasenschwäche im Alter" unabwendbar ist und dass man nichts dagegen tun kann, ist falsch. Der Arztbesuch ist ein erster wichtiger Schritt, um die Ursachen der Inkontinenz erkennen und wirksame therapeutische Maßnahmen setzen zu können. Die vorliegende Broschüre soll Ihnen helfen, das Phänomen der Inkontinenz besser zu verstehen, und Ihnen alles Wissenswerte über den Wirkmechanismus der verschiedenen Therapieformen, insbesondere auch der Medikamente, näher zu bringen.

5 Mythen zum Thema "Blasenschwäche"

Hofrat Univ.-Prof. Dr. Helmut Madersbacher, Innsbruck

Mythos 1: "Blasenschwäche ist eine normale Begleiterscheinung des Alterungsprozesses"

Falsch!

  • Unfreiwilliger Harnabgang ist auf keinen Fall eine selbstverständliche Konsequenz des Älterwerdens
  • Unfreiwilliger Harnabgang kann Menschen jeden Lebensalter treffen

Mythos 2: "Inkontinenz ist kein häufiges Problem"

Falsch!

5% der Bevölkerung leiden darunter, mit zunehmendem Alter häufiger:
  • 25% der 70-jährigen
  • 60% der Bewohner von Alten- und Pflegeheimen

Mythos 3: "Blasenschwäche ist eben Blasenschwäche. Jeder Betroffene ist gleich zu behandeln"

Falsch!

Es gibt verschiedene Formen des unfreiwilligen Harnabgangs, die unterschiedlich zu behandeln sind.

Mythos 4: "Blasenschwäche ist ein Frauenleiden"

Falsch!
  • Auch Männer leiden an unfreiwilligem Harnabgang, im Alter fast gleich häufig wie Frauen
  • Unfreiwilliger Harnabgang kann auch Folge einer Prostataoperation sein

Mythos 5: "Blasenschwäche ist nicht behandelbar"

Falsch!
  • Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Therapiemöglichkeiten, abgestimmt auf die Ursache des unfreiwilligen Harnabgangs
  • Eine wirkungsvolle Behandlung ist möglich


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Weitere Fragen:


Was ist die überaktive Blase?

Formen der Inkontinenz & Therapiemöglichkeiten

Medikamente – Ihre wirksamen Helfer...



 
Was ist die überaktive Blase?

Die überaktive Blase ist durch drei wesentliche Symptome gekennzeichnet: Die Betroffenen müssen sehr oft auf die Toilette gehen (über achtmal pro Tag und häufig auch nachts), leiden an plötzlichem und nicht unterdrückbarem Harndrang oder verlieren ungewollt Harn (Dranginkontinenz).

 

• zwanghafter Harndrang
• häufiges Wasserlassen
• Dranginkontinenz (ungewollter Harnverlust)

Von der überaktiven Blase sind Männer und Frauen gleichermaßen betroffen. Wichtig ist der möglichst frühzeitige Arztbesuch, um eine erfolgreiche Behandlung zu beginnen.

Wie wirkt sich die überaktive Blase aus?


Für viele Betroffene wird das Leben zur Qual: In der Angst, nicht rechtzeitig eine Toilette zu finden, werden persönliche, berufliche und öffentliche Beziehungen eingeschränkt. Der Besuch eines Konzerts, die Ausübung einer Sportart oder auch eine längere Reise wird durch den Zwang, ständig eine Toilette in der Nähe wissen zu müssen, für viele Menschen unmöglich. Viele der Betroffenen ziehen sich in die Isolation zurück.

Wie kann die überaktive Blase behandelt werden?

Mit "Blasentraining", modernen Medikamenten, die vom Arzt verordnet werden, und mitunter auch durch Elektrotherapie ist die überaktive Blase meist sehr gut in den Griff zu bekommen. Viele erfolgreich behandelte Menschen sind glücklich, geliebten Hobbies wieder nachgehen zu können und keine Angst mehr vor peinlichen Episoden haben zu müssen. Viele bereuen, erst spät einen Arzt aufgesucht zu haben. Mit neuen, gut verträglichen Medikamenten sind auch die bisher häufigsten Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit nicht mehr zu erwarten. Gerade ältere Patienten leiden schon von Haus aus vermehrt an Mundtrockenheit, zusätzlich kommt mangelnde Flüssigkeitsaufnahme noch verschlimmernd dazu. Nicht mehr tolerierbare Mundtrockenheit mit Schwierigkeiten beim Essen, Schlucken und Sprechen war oft die Folge. Vielfach haben diese Nebenwirkungen dazu geführt, dass die Therapie abgebrochen wurde. Bei neuen, für die überaktive Blase und die Dranginkontinenz entwickelten Medikamenten, die der Arzt verschreibt, sind diese Nebenwirkungen kaum oder nicht mehr zu erwarten.

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Formen der Inkontinenz


Dranginkontinenz

ist der unfreiwillige Harnabgang verbunden mit starkem Harndrang trotz funktionierenden Harnröhrenverschlusses. Die Ursachen dafür sind vor allem beim älteren Menschen vielfältig: Krankhafte Zustände im Bereich von Blase, Harnröhre und kleinem Becken, vor allem chronische Entzündungen, erschwerte Blasenentleerung, z.B. durch eine vergrößerte Prostata, aber auch altersbedingte und krankhafte Veränderungen im Nervensystem verschlechtern die Kontrolle über die Harnblase und führen zur Dranginkontinenz.
Therapie:
Kontinenztraining, insbesondere Miktions- und Toiletten-, aber auch Beckenbodentraining, Medikamente, bei Frauen auch Hormone, Elektrotherapie, gelegentlich auch Operation.

Stressinkontinenz

nennt man den Harnverlust bei defektem Harnröhrenverschluß. Charakteristischerweise kommt es beim Husten, Niesen, Heben schwerer Lasten oder beim Treppensteigen zum unfreiwilligen Harnabgang. Ursache ist vor allem bei Frauen eine geschwächte Beckenbodenmuskulatur, z.B. nach Schwangerschaft und Geburt,aber auch aufgrund hormoneller und altersbedingter Veränderungen,beim Mann vor allem nach Verletzungen des Schließmuskels im Rahmen von Operationen der Prostata. Die Harnblase funktioniert normal.
Therapie:
Beckenbodentraining, parallel dazu Gewichtsreduktion, Stuhlgangregulierung, zusätzlich können Medikamente und Hormone helfen; je nach Schwere und Ausmaß kann auch eine Operation notwendig sein.
Stress- und Dranginkontinenz sowie Mischformen aus diesen beiden Typen zählen mit Abstand zu den häufigsten Formen der Inkontinenz. Aufgrund der unterschiedlichen Ursachen ist es bei Mischformen wichtig, jede Form einzeln einer gezielten Therapie zuzuführen.

Reflexinkontinenz

entsteht, wenn Nervenbahnen und Nervenzentren, die für die willkürliche Blasensteuerung verantwortlich sind, geschädigt werden bzw. ausfallen, wie bei manchen Formen der Querschnittlähmung. Ohne daß der Betroffene Harndrang verspürt, entleert sich die Harnblase bei Erreichen einer bestimmten Füllung reflektorisch, häufig ist die Blasenentleerung auch unvollständig (Restharn).
Therapie:
Medikamente, regelmäßige Blasenentleerung, z.B. auch mittels Katheterisierung, Operation.

Überlaufinkontinenz

entsteht, wenn der Druck in der übervollen Blase höher wird als der Verschlußdruck des Schließmuskels. Ursachen für eine Überlaufinkontinenz sind ein schwacher Blasenmuskel oder ein Hindernis, das die Entleerung des Harnes erschwert, mitunter finden sich beide Ursachen gemeinsam.
Therapie:
zunächst Entlastung der übervollen Blase durch Einführen eines Katheters, in der Folge dann Therapie der zugrundeliegenden Ursache, entweder Kräftigung der Blase oder/und Beseitigung des Abflußhindernisses.

Extraurethrale Inkontinenz

entsteht bei Harnabgang durch andere Kanäle als die Harnröhre, entweder über Fistelbildung oder über eine angeborene Anomalie der Harnleitermündung.
Therapie:
Operation.


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Medikamente - Ihre wirksamen Helfer bei überaktiver Blase und Dranginkontinenz

Medikamente werden häufig erfolgreich zur Verbesserung der Blasenkontrolle bei Harndrang-Reflex und gemischter Drang- bzw. Stressinkontinenz eingesetzt.

Wie wirken Medikamente gegen die überaktive Blase?

Sie können die Blasenkapazität erhöhen und verzögern die Zeit bis zum Auftreten des Harndranges. Die Betroffenen müssen weniger häufig die Toilette aufsuchen und sind über längere Zeiträume hinweg frei von ständigem Harndrang. Die Kontrolle über die Blasenentleerung wird insgesamt verbessert.

Welchen Erfolg können Sie sich erwarten?

Eine im Frühjahr 1997 abgeschlossene Untersuchung zeigte, dass 89%der Frauen und 79%der Männer auf eine Behandlung mit Medikamenten ansprachen. Dies bedeutet häufig ein Abklingen, zumindest aber eine deutliche Besserung der Inkontinenz.*

Wie funktionieren Medikamente gegen die überaktive Blase und Inkontinenz?

Sie unterdrücken gezielt die Wirkung des körpereigenen Botenstoffes Acetylcholin auf die Nervenenden, welche die Entleerung der Blase auslösen. Allerdings können derartige Medikamente eine bereits vorbestehende Störung der Blasenentleerung verstärken und zu erhöhtem Restharn führen. Ihr Arzt wird gegebenenfalls die notwendigen Kontrollen durchführen. Diese Medikamente wirken innerhalb von 30 60 Minuten für 6 10 Stunden.

Welche Nebenwirkungen sind bekannt?

Manchmal können Mundtrockenheit, Schwitzen, Hautrötung, Verstopfung, Herzklopfen und Schwindel auftreten. Die oben geschilderten Nebenwirkungen verschwinden nach Beendigung der Einnahme von Anticholinergika. Bitte sprechen Sie beim Auftreten von Nebenwirkungen mit Ihrem Arzt, damit sichergestellt werden kann, dass keine anderen Ursachen vorliegen oder dass Ihnen ein anderes, besser verträgliches Medikament verschrieben wird.

*Miktions-(=Blasen-) und Toilettentraining unterstützen diese Therapie

Die Therapie mit Medikamenten sollte, wenn möglich, mit einem Miktions- oder Toilettentraining kombiniert werden (z.B. in kurzen Zeitabständen regelmäßig auch ohne Drang auf die Toilette gehen, die Intervalle langsam verlängern).

Was können Sie sonst noch tun?

Für die Stressinkontinenz, aber auch bei der Behandlung der Dranginkontinenz stellt gezieltes Beckenbodentraining, gegebenenfalls kombiniert mit Elektrotherapie und Biofeedback, wenn möglich unter Anleitung und Kontrolle einer Physiotherapeutin, eine sehr gute Behandlungsmethode dar. Bei etwa 70%der Betroffenen kann es, insbesondere bei leichten und mittelschweren Formen der Harnstressinkontinenz, zum Abklingen des unfreiwilligen Harnabgangs oder aber zumindest zu einer wesentlichen Besserung führen.

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